Biomechanik Snowboard
Die Biomechanik erklärt sportliche Bewegungen mit Hilfe von physikalischen Gesetzen. Könntest du die untenstehenden Fragen bereits beantworten?
Fahre mit der Maus über die Fragezeichen oder tippe mit dem Finger darauf.
Diese und weitere Fragestellungen werden in diesem Lernbaustein beantwortet. Das erworbene Wissen soll dem tieferen Verständnis von funktionalen Zusammenhängen im Snowboard dienen.
- Beschreibt und erklärt die sportliche Bewegung mit Hilfe der physikalischen Gesetze und Prinzipien
- Hilft die funktionalen Zusammenhänge der Technik zu verstehen
- Hilft bei der Optimierung von Bewegungsabläufen
Das Wissen bezüglich den Kräften sowie das Auge bezüglich des Körperschwerpunktes helfen dir als Leiterperson, die Bewegung deiner Jugendlichen besser zu verstehen. Es ist entscheidend, den Körper (Kernbewegungen) so einzusetzen, dass das Snowboard (Gerätefunktionen) optimal genutzt werden kann.
Für das Snowboardfahren gelten die grundsätzlichen physikalischen Gesetze und Prinzipien. Diese gelten für alle Snowboard Disziplinen. Es wirken verschiedene Kräfte, welche in der Folge detailliert beschrieben werden.
Die Gravitationskraft ist die Kraft, mit der ein Körper oder ein Gegenstand in Richtung Erdmittelpunkt gezogen wird. Es ist also jene Kraft, mit der beispielsweise eine Person auf eine Waage drückt. Sie wird daher auch Gewichtskraft oder Schwerkraft genannt. Sie ist abhängig von der Masse eines Körpers oder Gegenstandes.
Mit der Normalkraft ist die Komponente der Gravitationskraft gemeint, die senkrecht zur schiefen Ebene wirkt. Mit dieser Kraft wird das Snowboard resp. der Schnee belastet (angenommen es wirkt nicht noch eine zusätzliche Zentrifugalkraft).
Mit der Hangabtriebskraft ist jene Komponente der Gravitationskraft gemeint, welche auf einer schiefen Ebene hangabwärts wirkt. Sie beschleunigt die Fahrerin oder den Fahrer bei geneigtem Gelände talwärts.
Je schwerer die Person und je steiler das Gelände, desto grösser ist die Hangabtriebskraft.
Auf Fahrerinnen und Fahrer wirken zwei bremsende Kräfte: die Reibung zwischen Brett und Schnee sowie der Luftwiderstand.
Die Reibung zwischen Brett und Schnee ist zusätzlich unterteilt in Reibung zwischen Belag und Schnee sowie zwischen Kante und Schnee. Je mehr das Board quer zur Fahrtrichtung rutscht (= Anstellwinkel), je grösser der Aufkantwinkel und je grösser die Belastung des Boards, desto grösser die Reibung zwischen Kante und Schnee.
Kräfte wirken grundsätzlich auf den ganzen Körper (inkl. Ausrüstung). Zur Vereinfachung kann der Körperschwerpunkt (KSP) als zentraler Angriffspunkt aller wirkenden Kräfte betrachtet werden.
Die Lage des Körperschwerpunkts ist abhängig von der Körperstellung und den Teilkörperbewegungen. Da es ein theoretischer Mittelpunkt der Körpermasse ist, kann er je nach Körperstellung auch ausserhalb des Körpers liegen.
Jeder Körper hat das Bestreben, im aktuellen Bewegungszustand (Geschwindigkeit und Richtung) zu verharren. Um diesen Bewegungszustand zu verändern, müssen Kräfte wirken.
Um einen Körper auf eine Kreisbahn (Kurve oder Transition) zu bringen, ist eine ablenkende Kraft (Zentripetalkraft) nötig. Diese wird durch Aufkanten und/oder Belasten des Boards erzeugt. Damit der Körperschwerpunkt der Kreisbahn folgt, muss diese ablenkende Kraft (Zentripetalkraft) mit Hilfe des Schneewiderstandes aktiv aus Beinen und Rumpf erzeugt werden.
Die entstehende Kraft, welche die Fahrer/in nach "aussen" drückt, wird Zentrifugalkraft oder auch Fliehkraft genannt.
Die Zentrifugalkraft nimmt zu:
- wenn der Kurvenradius kleiner wird (vorausgesetzt die Geschwindigkeit bleibt gleich)
- wenn die Geschwindigkeit zunimmt (vorausgesetzt der Kurvenradius bleibt gleich)
Beim Kurvenfahren gilt somit: Je kleiner der Radius und je höher die Geschwindigkeit, desto grösser der Umfang der Kernbewegung Kippen/Knicken.
Aufgabe: Zentrifugalkraft beim Kurven fahren
Warum ist die Kernbewegung Kippen/Knicken beim rechten Snowboarder grösser als beim linken? Fahre mit der Maus über die Bilder oder tippe mit dem Finger darauf, um die Antwort zu erhalten.
Es gibt nicht nur den horizontalen Radius (Kurve), sondern auch den vertikalen Radius (Transition). Auch dort gibt es eine Zentrifugalkraft, wobei man eher von einer Kompression und einer Ablenkung durch das Gelände spricht. Die Grösse der Zentrifugalkraft ist auch dort stark abhängig vom Radius und der Geschwindigkeit.
Aufgabe: Zentrifugalkraft beim Fahren von Transitions
(Mulden, Sprünge, Halfpipe)
Eine Snowboarderin von 60 kg fährt eine Transition von 10m Radius mit folgenden beiden Geschwindigkeiten:
Diskutiere mit deinen Kolleg/innen und schätze, wie gross die Gesamtbelastung in kg am tiefsten Punkt der Transition ist. Die Lösung erfährst du, wenn du die Flipcards umdrehst.
Damit Fahrerinnen und Fahrer im dynamischen Gleichgewicht sind, muss die resultierende Kraft (Summe aus Gravitationskraft und Zentrifugalkraft) vom Körperschwerpunkt aus durch die Unterstützungsfläche verlaufen.
Unterstützungsfläche = Fläche, auf welcher das Snowboard auf dem Schnee aufliegt (ausgenommen ein Körperteil berührt den Schnee, dann ist es die Fläche zwischen den äussersten Auflagepunkten).
Zusammenspiel Körperschwerpunkt & Unterstützungsfläche
Eine effiziente und sichere Fahrtechnik zeichnet sich aus durch:
- Stabilen Oberkörper = stabiler Körperschwerpunk KSP
- Agile Fuss- und Beinarbeit = Board als Unterstützungsfläche unter KSP positionieren
Nach Hebelgesetz ergibt sich die Durchbiegung des Boards aus der Kraft am Hebel (hier in der Zeichnung das Hochziehen mit dem vorderen Fuss) multipliziert mit der Länge des Hebels (= Bindungsabstand). Daraus lässt sich ableiten:
Je grösser der Bindungsabstand, desto kleiner ist die Kraft die man aufbringen muss, um das Snowboard durchzubiegen.
Die Torsion beschreibt die Verdrehung des Boards. Der Verdrehungswinkel ergibt sich aus der Kraft am Hebel (Fuss/Unterschenkel) multipliziert mit der Länge Hebels (Schuhlänge) und dem Abstand der beiden Hebel (Bindungsabstand).
Die Schneeverhältnisse sind je nach Piste unterschiedlich. Sonneneinstrahlung, Wind und die Schneeart (z.B. Kunstschnee oder Naturschnee) haben einen grossen Einfluss. Mit deiner bewussten Wahl der Piste kannst du die Grösse der Unterstützungsfläche beeinflussen.
A. Griffige, mittelharte Schneeverhältnisse sind für Einsteigende und für das Erlernen neuer Formen sehr hilfreich. Das Board bietet in aufgekantetem Zustand eine genügend grosse Unterstützungsfläche für das dynamische Gleichgewicht und somit ein ausreichendes Gefühl von Sicherheit und Stabilität.
B. Bei Pulver- oder Sulzschnee liegt das Brett in aufgekantetem Zustand mit einem grösseren Teil des Belags im Schnee, wodurch die Unterstützungsfläche grösser wird. Dadurch erhöht sich aber auch der Aufwand und Bewegungsumfang in den Kernbewegungen, um den Schneewiderstand überwinden zu können.
C. Eisige Verhältnisse bieten dem Snowboard in aufgekantetem Zustand nur eine sehr schmale Unterstützungsfläche. Bei einem solchen Pistenzustand ist eine präzise Positionierung des Körperschwerpunktes erforderlich. Es herrscht ein sehr fragiles dynamisches Gleichgewicht.
Vorteile von weichen Boards (geeigneter für Einsteigende):
- Es kann mit weniger Kraft eine Torsion im Board erwirkt werden (z.B. beim Seitwärtsrutschen)
- Es kann mit weniger Kraft eine Durchbiegung im Board erwirkt werden (z.B. beim Wheelie)
Vorteile von harten Boards:
- Das Board bleibt auch bei grösseren Geschwindigkeiten und somit grösseren Kräften stabil und laufruhig (z.B. bei gecarvten Schwüngen)
Bindungseinstellungen
Bindungsabstand (Stance)
Vorteile breite Stance :
- Erleichtert eine tiefere und stabilere Position
- Besserer Hebel, um das Board durchzubiegen (z.B. für Noseturn)
- Besserer Hebel um die Torsion zu erwirken (z.B. Seitwärtsrutschen, langsame gerutschte Kurven)
Vorteile schmale Stance:
- Erleichtert die KSP Verschiebung in der Längsachse (z.B. KSP über Rail)
Highback-Winkel
Vorteile von mehr Highback-Vorlage:
- Erleichtet eine tiefere und stabilere Position
- Erleichtert das Aufkanten auf der Fersenkante
- Ermöglicht direkteres Umkanten zwischen Zehen- und Fersenkante
Vorteile von weniger Highback-Vorlage:
- Erleichtert das Fullbase fahren (z.B. Wellen-Mulden fahren, Rail fahren)
Aus dem Rutschen in der Falllinien, wird durch Knicken in den Füsse/Knien/Hüften (Torsion des Boards) das Seitwärtsrutschen eingeleitet. Der Aufkantwinkel wird in einem Bereich des Boards (Nose oder Tail) verkleinert, wodurch die Reibung und somit der Schneewiderstand verkleinert werden. Die Hangabtriebskraft lenkt das Board somit in diesem Bereich mehr talwärts.
Der Körperschwerpunkt und somit auch indirekt der Drehpunkt des Boards sind in der Mitte zwischen den Bindungen
Für ein sicheres dynamisches Gleichgewicht und eine stabile, bewegungsbereite Grundposition ist es notwendig, den KSP möglichst stabil über der Unterstützungsfläche zu halten. Dies erreichen deine Lernenden durch ein stärkeres Knicken in den Knien und im Fussgelenk sowie einem grösseren Hüftwinkel (aufrechter Oberkörper). In dieser Position können sie auch besser auf Unebenheiten im Gelände reagieren.
Wie im Abschnitt "Zentrifugalkraft" beschrieben hat die Geschwindigkeit einen enormen Einfluss auf die Zentrifugalkraft. Damit deine Kinder und Jugendlichen die entstehenden Kräfte beim Befahren einer Mulde oder Transition gleichmässig auf beide Beine verteilen können, sollen sie ihren Körper senkrecht zum Untergrund positioniert («T-Position»). Dadurch können sie mit beiden Beinen aktiv gegen die wirkenden Kräfte halten oder sich gegen Ende der Transition sogar leicht strecken (pushen). Arbeite als Leiterperson mit deinen Kindern und Jugendlichen zuerst an dieser "T-Position", bevor du sie mit höheren Geschwindigkeiten durch Mulden und Transitions fahren lässt.
Reflexionsaufgabe 1
Wie kannst du die vorgestellten Tipps zur Materialwahl und Bindungseinstellung mit deiner Gruppe umsetzen? Was kannst du mit wenig Zeitaufwand direkt vor Ort (z.B. bei der Talstation) anpassen? Welche Infos bezüglich Material und Bindungseinstellung solltest du im Vorfeld des Unterrichts an die Teilnehmenden senden?